Geschichte DDR und andere Sozialismusversuche

Photon

MASSIVE AGGRESSIVE
ID: 131538
L
28 April 2006
5.243
356
Ich habe mal das Thema eröffnet, weil ich denke, dass es zu diesem Thema Diskussionsbedarf gibt und es natürlich nicht in den "China versus Tibet"-Thread gehört.

Und ohne große Einleitung zum Thema (der Titel sagt ja im Grunde alles) will ich gleich mal nahtlos anknüpfen:

[...] aber es führten auch noch andere gründe dazu, dass die leute auf die straße gingen. z.b. planwirtschaft, staatliche überwachung und repressionen durch die stasi, wahlfälschungen, reformunfähigkeit der alten garde und natürlich auch die ereignisse in anderen sozialistischen ländern z. b. ungarn.
Die Wahlfälschungen waren ja eigentlich keine. Die Wahl verlief so, dass die SED "vorangekreuzt" war. Soll bedeuten, wer ins Wahllokal gegangen ist und seinen Zettel einfach nur gefaltet und in die Urne warf, hat damit automatisch die SED gewählt. Wer das nicht wollte, musste die vorgedruckte Stimme streichen und eine andere Partei ankreuzen. Da in jedem Wahllokal auch jemand von der SS StaatsSicherheit anwesend war, hat es kaum jemand aus Angst oder was auch immer getan, mit Ausnahme der "üblichen Verdächtigen". Darüber hat sich meine Tante aus Tempelhof immer köstlich amüsiert, wenn wir ihr davon erzählt haben *g* Aber im Grunde war es auch völlig egal, ob nun die CDU 0,1% oder 0,2% eingefahren hat.

EDIT: Habe gerade nochmal Rücksprache gehalten und ich habe hier in Size 1 Mist geschrieben. Also da war wohl nichts vorankreuzt, sondern "man konnte die Volksvertreter wählen, die man sowieso nicht kannte". Niemand hat die Wahlkabine genutzt, weil man eben den erstbesten angekreuzt hat. Wenn jemand doch in die Wahlkabine verschwand, wurde wohl die anwesende Staasi hellhörig, weshalb man auch einfach sein Kreuz irgendwo gemacht hat und gut ist. War sowieso egal :) (Wie heute? - Natürlich nicht! :LOL:)

Überwacht wird man heute von staatlicher Seite auch, nur zerfetzt man sich heute nicht mehr das Maul darüber. Wenn irgendwann die BRD zusammenbrechen sollte und die Akten des BND geöffnet werden, möchte ich nicht wissen, wer sich in den Akten alles wiederfindet.

Planwirtschaft war nur deshalb ein Problem, weil man sich von unten bis oben in die eigene Tasche gelogen hat. Wenn ein Betrieb den Plan nur zu 50% erfüllt hat, hat man sich von Station zu Station bis zum ZK nach oben gelogen und schließlich waren es 120%, obwohl nur 50% des Plans erfüllt wurden.

Die anderen Ereignisse wie beispielsweise in Ungarn haben nur insofern etwas mit Deutschland zu tun, als dass die Ostdeutschen dieses Land als Fluchtmöglichkeit genutzt haben. Ansonsten war es wohl kaum der Stein des Anstoßes für den innerdeutschen Umbruch.

im osten gab es in etwa die gleiche meinungsfreiheit, wie im dritten reich! mit dem unterschied, dass man nicht gleich erschossen wurde. das ging schon in der schule los, das grundschüler im UNTERRICHT!!! ausgefragt wurden, wie "unser sandmännchen" aussieht. wenn dann jemand sagte, der hat ne jeansjacke an, durften die eltern sich AN IHREM ARBEITSPLATZ gleich dafür rechtfertigen, wieso ihr kind westfernsehen schaut.
Das muss wohl von Region zu Region unterschiedlich gewesen sein. Ich bin in Berlin groß geworden, hatte Westverwandtschaft und sogar regen Kontakt zu denen. Wir hatten Telefon und ein Auto auch ohne bei der Staasi oder auch nur in der Partei gewesen zu sein. Ich bin mit "Westklamotten" zur Schule gegangen und habe die BRAVO, Sticker und diese ekelhaften Leuchteschnürsenkel auf dem Schulhof verkauft. Niemand aus meiner Familie war jemals im Knast, ich hatte in "Staatsbürgerkunde" meine 1 und auch sonst einen Schnitt von 2,1 in der Schule. Ich habe schon im Unterricht unbequeme Fragen gestellt und weder mein Vater, noch meine Mutter (beide in der Abteilung Volksbildung beschäftigt) wurden deswegen auch nur "befragt". Im Gegenteil hat mein Staatsbürgerkundelehrer (der für die Staasi gearbeitet hat, genauso wie unsere Direktorin, was jeder wusste) zu mir gesagt: "Mir ist es egal, welche politische Meinung Du hast, so lange Du den Stoff lernst und es auch verstehst." Ich habe gelernt, verstanden und war anderer Meinung.

Zwei Mädels aus meiner Klasse (die eine hatte einen evangelischen Pfarrer zum Vater) haben sich geweigert, in die FDJ einzutreten. Trotzdem ist eine von beiden auf die EOS (Gymnasium) gekommen.

Also aus meiner Sicht und meinem persönlichen Umfeld habe ich von Verfolgung, Inhaftierungen und dergleichen nichts mitbekommen. Im Gegenteil habe ich stets nur Menschen getroffen, die meine Meinung teilten und sich mit mir hinter vorgehaltener Hand über die SED und den ganzen Bonzenstamm lustig gemacht haben. Zur Wahl hieß es immer (auch in meiner Familie): "Morgen gehen wir wieder falten..."

im übrigen war die DDR von ihren strukturen her dem nationalsozialismus gar nicht unähnlich. z.b. die jugendorganisationen, jungpioniere, thälmannpioniere, freie deutsche jugend - straff organisiert, inkl. fahnenapell, fackelumzügen und eigenem gruß ...
Und? Wir haben uns als Kinder gefreut, Thälmannpioniere zu werden und später FDJler. Nicht aus politischen Gründen, sondern weil die FDJler "die Großen" waren. Wir haben uns gefreut, dass alle Sportvereine kostenlos waren und schon die Pioniere dazu animiert wurden, irgendeinen Sport zu betreiben. Ich war dann auch in der GST Motorsport, um meinen Führerschein für das Motorrad für 65 Mark machen zu können. Später war ich 14 Tage im GST-Lager, um meinen LKW-Führerschein für 120 Mark zu bekommen. Leider kam ja dann die Wende dazwischen, ansonsten hätte ich den gern noch mitgenommen. Und niemand aus meiner damaligen Gruppe war bei der GST aus Überzeugung, sondern nur wegen dem Führerschein und dem Suff. Und niemand hat sich im GST-Lager daran gestört, dass es nach dem Frühsport mit dem "Handgranatenweitwurf" weiter ging oder man mit Holzgewehren im Dreck gelegen hat. Im Gegenteil hat das sogar Spaß gemacht.

Heute klingt das alles ganz furchtbar, aber damals war es einfach Spaß und körperliche Aktivität. Klang schon damals ganz furchtbar für meine Westverwandtschaft, aber nur weil man sich ein ganz anderes Bild vom Erzählen gemacht hat, als es wirklich war.

heute darf jeder jeden mist verbreiten, solange er nicht verfassungsfeindlich ist. in meinen augen ein großer unterschied. ;)
Das war damals genauso. Nur dass die "Verfassung" eine andere und enger gesteckt war.

heute hast du ausserdem die möglichkeit, z.b. übers internet, jede nachricht zu hinterfragen und dir so ein eigenes bild zu machen, was für dich wahr und unwahr ist.
Abgesehen davon, dass die technischen Entwicklungen des Ostens lieber in den Westen für Devisen verkauft wurden und das Volk etwa 5 Jahre "hinterherhinken" musste, gab es auch noch gar kein Internet. Aber Leute in meinem Umfeld wurden dank westlicher Druckerzeugnisse durchaus auf dem Laufenden gehalten ;)

Und zur heutigen "Freiheit": Überleg' doch einfach noch mal ganz genau, ob Du damit so recht hast. Viele Websites werden von Google ausgeblendet, weil sie in Deutschland verboten sind. YouTube muss Videos löschen, die nicht "konform" sind. Bücher, Musik und Videos werden indiziert oder gleich ganz verboten, etc pp. Das alles natürlich in viel kleinerem Stil als in der DDR, aber das Prinzip ist exakt das Gleiche. Dass man heute mit etwas technischem Sachverstand durchaus die Möglichkeit hat, diese "Sperren" zu umgehen und trotzdem an seine Informationen kommt, sei dahin gestellt. Aber damals kannte auch jeder jemanden mit Westverwandtschaft und konnte sein Geld in harte Wärung tauschen, um gelegentlich im Intershop einzukaufen.

Klar hatten die meisten Menschen die Schnauze voll, ständig unter massiven Verboten zu leben. Vor allem in Sachsen, die keine Chance hatten, Westfernsehen zu schauen. Aber so erschüttert meine Westverwandten waren, dass ich als Kind schon Handgranatenweitwurf im Sportunterricht machen musste, so erschüttert war ich, dass meine Tante 2 mal in einem Jahr von Türken überfallen, geschlagen und die Handtasche geraubt worden ist. Sowas kannte man im Osten eben gar nicht. Und als wir hörten, dass die Tochter einer Freundschaft meiner Tante (oder Enkelin? - weiß nicht mehr) auf dem Strich gelandet ist und ihren Körper für Drogen verkaufte, obwohl sie erst 14 war, da waren wir viel erschütterter und haben uns gefragt, ob das wohl der Preis der Freiheit ist...

[...]
zu den diskussionen zur ddr: gehört nicht in diesen thread, wenn da drüber diskutiert werden soll/muss/will oder was auch immer, dann macht einen eignen thread auf. ich hätte dann auch einiges zu erzählen, ich habe in "meinen 4 jahren" ddr zwar nicht wirklich viel davon mitbekommen, aber ich habe schon oft mit ältern, bekannten etc. darüber geredet und da war luxus bei den meisten kein thema.
Dann leg' mal los, bin schon gespannt!


Gruß,
Photon
 
Zuletzt bearbeitet:
[...] Das muss wohl von Region zu Region unterschiedlich gewesen sein. [...]
Also aus meiner Sicht und meinem persönlichen Umfeld habe ich von Verfolgung, Inhaftierungen und dergleichen nichts mitbekommen. [...]

Vielleicht liegt es ja weniger an der Region, als an der Zeit.
Mein Exfreund ist 1960 geboren und lebte in Berlin. Als dann 1961 mit dem Bau der Mauer begonnen wurde, entschlossen sich seine Eltern zu flüchten. Sein Vater schaffte es in den Westen, seine Mutter und er leider nicht. Da sein Vater nun Fahnenflüchtiger war, wurden sie ständige überwacht. Regelmäßige Hausdurchsuchungen und Verhöre wurden zur Routine. Mit 15 Jahren hatte mein Exfreund mit seinen Freunden ein Sauftour gemacht und dabei eine DDR Fahne verbrannt. Dafür wurde er zu 18 Monaten Haft verurteilt. Nach seiner Entlassung wurde es noch schlimmer, als vorher. Bei jeder Kontrolle wurde er erstmal für 24 Stunden in Haft genommen und recht unsanft verhört.

Seine Erlösung sollte noch bis 1981 dauern. Da hatte dann sein Vater vom Westen aus seine Flucht organisiert, so dass er dann endlich im Kofferraum in den Westen flüchten konnte. Nachdem er hier war, wurde seine Mutter verfolgt. Erst als sich die BRD eingeschaltet hat und mit der DDR über eine Freilassung verhandelte, wurde seine Mutter in den Westen "abgeschoben".

Auch wenn du sowas nicht in deinem persönlichen Umfeld mitbekommen hast, gab es dennoch jede Menge Unrecht in der DDR. Menschen wurden verfolgt und inhaftiert. Oftmals für Taten die hier nicht mal eine Ordnungswidrigkeit gewesen wären.
 
[...] Auch wenn du sowas nicht in deinem persönlichen Umfeld mitbekommen hast, gab es dennoch jede Menge Unrecht in der DDR. Menschen wurden verfolgt und inhaftiert. Oftmals für Taten die hier nicht mal eine Ordnungswidrigkeit gewesen wären.
Interessante Geschichte, Jacky!

Ich würde niemals behaupten, dass es nicht zu Verfolgungen und dergleichen gekommen ist - auch wenn mir persönlich davon niemand begegnet ist. Aber Republikflucht wurde in der DDR mit "Vaterlandsverrat" gleich gesetzt, da man sich offiziell im (kalten) Krieg mit Westdeutschland befand. So gesehen sind 18 Monate Haft noch recht human wenn man bedenkt, wie man im heißen Krieg mit Verrätern verfährt.

Dass es im Westen nicht mal eine Ordnungswidrigkeit war lag wohl vor allem daran, dass Westdeutschland offiziell eben kein Krieg mit Ostdeutschland führte, im Gegenteil. Westdeutschland hat die DDR als Staat niemals offiziell anerkannt und die Deutschen in der DDR immer als Brüder gesehen (zumindest offiziell). Damit hat man sich schon das Türchen offen gehalten, die DDR, die völlig pleite war, irgendwann zu annektieren und Deutschland in dieser Form wiederzuvereinigen.

Aber, und darum ging es mir in meiner Antwort an Jumper, nicht jeder wurde verfolgt, fühlte sich unterdrückt oder sonstwas. Ich halte jede Wette, dass nicht mal die Hälfte aller Montagsdemonstranten verfolgt, unterdrückt, ja nicht mal staatlich belästigt waren. Ach, ich gehe noch weiter, ich denke, dass es nicht mal ein Viertel war. Was war nun der Grund für die anderen Leute?

Gruß,
Photon
 
Sicher ist dies nicht der Normalfall gewesen. Leute die dermaßen verfolgt wurden, haben ohnehin jede erdenkliche Chance genutzt um zu flüchten. Hatte in den 80ern eine Arbeitskollegin, die ähnliches erlebte, und auch sie ist geflüchtet.

Diese damalige Arbeitskollegin kam aus einer sehr kleinen Stadt und erzählte mir, dass man dort oft nicht mal die zum Leben notwendigsten Dinge kaufen konnte. Milch, Brot oder auch Toilettenpapier soll es manchmal wochenlang nicht gegeben haben. Mein Exfreund meinte, dass dies in Berlin nicht so schlimm gewesen sei, weil Berlin besser mit Gütern versorgt wurde, als der Rest der Republik.

Ich glaube auch, dass die Mehrheit eher wegen der eingeschränkten Reisefreiheit und der fehlenden Wirtschaftsgüter unzufrieden war. Soweit ich weiß, brauchte man ja schon eine Erlaubnis, wenn man aus Berlin raus wollte. Der Besuch der Tante in Dresden, oder der Urlaub an der Ostsee ging nur mit Genehmigung. Bin mir aber nicht sicher, ob dass für alle Bürger, oder nur für die Extremfälle die ich kenne, so war.
 
[...] Diese damalige Arbeitskollegin kam aus einer sehr kleinen Stadt und erzählte mir, dass man dort oft nicht mal die zum Leben notwendigsten Dinge kaufen konnte. Milch, Brot oder auch Toilettenpapier soll es manchmal wochenlang nicht gegeben haben. Mein Exfreund meinte, dass dies in Berlin nicht so schlimm gewesen sei, weil Berlin besser mit Gütern versorgt wurde, als der Rest der Republik.
Na ich kann das nicht einschätzen, kenne nur Berlin. Aber ich könnte es mir vorstellen.

Ich glaube auch, dass die Mehrheit eher wegen der eingeschränkten Reisefreiheit und der fehlenden Wirtschaftsgüter unzufrieden war. Soweit ich weiß, brauchte man ja schon eine Erlaubnis, wenn man aus Berlin raus wollte. Der Besuch der Tante in Dresden, oder der Urlaub an der Ostsee ging nur mit Genehmigung. Bin mir aber nicht sicher, ob dass für alle Bürger, oder nur für die Extremfälle die ich kenne, so war.
Nee, eher umgekehrt. Es gab sowas wie "Berlin-Verbot", wegen der Nähe zu West-Berlin und weil Ost-Berlin die Hauptstadt war, die man weitestgehend von aktiven politischen Feinden frei halten wollte. Ansonsten ist mir nichts bekannt, dass man für irgendeine Reise innerhalb der Republik eine Genehmigung gebraucht hätte.

Gruß,
Photon
 
Diese damalige Arbeitskollegin kam aus einer sehr kleinen Stadt und erzählte mir, dass man dort oft nicht mal die zum Leben notwendigsten Dinge kaufen konnte. Milch, Brot oder auch Toilettenpapier soll es manchmal wochenlang nicht gegeben haben. ...

LOL - die lacht sich bestimmt heute noch scheckig über den Wessi, der den ganzen Mist geglaubt hat ...
Da fällr mir geraden noch eine echt peinliche Geschichte ein:
Kurz nach der Maueröffnung kam im TV (westdeutsch) wieder eine Reportage, wo die Ossis das erste Mal in den Westen kamen - mit Trabbies und allem, was dazu gehört. Es war je Spätherbst und recht kühl, so dass die Ankömmlinge mit einer Suppe mit irgendnem Würstchen drin empfangen wurden.
Eine dieser Ankömmlinge meinte wörtlich: "Sowas Gutes habsch schon seit Jahren nichmehr gegessen!".
Am Liebsten hätte ich der die Wurscht wieder rausgeprügelt - einfach peinlich.

Ich denke, man sollte die DDR nicht so statisch sehen, wie sie allerseits dargestellt wird. Die DDR war auch ein Staat im Wandel und in den 80ern wesentlich liberaler als in den 60ern. Wie die BRD eben auch.

smile
 
(...)Diese damalige Arbeitskollegin kam aus einer sehr kleinen Stadt und erzählte mir, dass man dort oft nicht mal die zum Leben notwendigsten Dinge kaufen konnte. Milch, Brot oder auch Toilettenpapier soll es manchmal wochenlang nicht gegeben haben.
:biggrin: Und es gibt wirklich Leute, die das glauben? .... *kopfschüttel* Ich habe Freunde im Erzgebirge, 2000-Seelen-Gemeinde oder so, die hatten zwar kein Westfernsehen, aber glaube mir, selbst dort gab es die lebensnotwendigsten Dinge zu kaufen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die DDR ihre Leute verrotten verhungern lassen wollte. Man macht das Fundament nicht kaputt.
Mein Exfreund meinte, dass dies in Berlin nicht so schlimm gewesen sei, weil Berlin besser mit Gütern versorgt wurde, als der Rest der Republik.
Ja, Berlin als Hauptstadt wurde besser mit Waren versorgt. Berlin bildete, von westlicher Seite gesehen, das Tor zum Osten. Somit waren die Regale voll. Meistens kamen Besucher nicht über die Stadtgrenzen hinaus. Ihnen sollte wahrscheinlich vorgegaukelt werden, dass sämtliche Regale der Republik voll waren. Aber bitte: Es handelt sich hierbei nicht um die notwendigsten Dinge wie Milch und Butter und dergleichen. Hierbei ging es eher um Möbel, Elektronik, Klamotten usw.
Soweit ich weiß, brauchte man ja schon eine Erlaubnis, wenn man aus Berlin raus wollte. Der Besuch der Tante in Dresden, oder der Urlaub an der Ostsee ging nur mit Genehmigung. Bin mir aber nicht sicher, ob dass für alle Bürger, oder nur für die Extremfälle die ich kenne, so war.
Das galt eher für den Besuch aus dem Westen, der eventuell eine Genehmigung benötigte. Wobei ich mir dessen nicht wirklich sicher bin.
Die Bürger der DDR konnten sehr wohl von Dresden nach Berlin, von Rostock nach Leipzig, oder von A nach B innerhalb der Staatsgrenzen.
smile schrieb:
Am Liebsten hätte ich der die Wurscht wieder rausgeprügelt - einfach peinlich.
Recht hast du.... ich hätte dir geholfen.
smile schrieb:
Ich denke, man sollte die DDR nicht so statisch sehen, wie sie allerseits dargestellt wird. Die DDR war auch ein Staat im Wandel und in den 80ern wesentlich liberaler als in den 60ern.
Ja, und hier liegt der Hase im Pfeffer (ich hab schon wieder Hunger): Hört man sich Geschichten an, sollte man immer auch beachten, aus welcher Zeit sie stammen bzw. welcher Jahrgang sie erzählt. Ich kenne einige Geschichten, die in den 60er, 70er Jahren passierten, die aber wahrscheinlich in den späten 80ern anders verlaufen wären.
Photon schrieb:
Also aus meiner Sicht und meinem persönlichen Umfeld habe ich von Verfolgung, Inhaftierungen und dergleichen nichts mitbekommen. Im Gegenteil habe ich stets nur Menschen getroffen, die meine Meinung teilten und sich mit mir hinter vorgehaltener Hand über die SED und den ganzen Bonzenstamm lustig gemacht haben.
Das eine schließt das andere nicht aus. Ich kenne zwei Geschichten aus meinem näheren Umfeld, die was mit Inhaftierungen und dergleichen zu tun haben. Und man hat sich auch über den Staat amüsiert, obwohl man am eigenen Leibe manch Repressalie zu spüren bekam. Nur ein Beispiel: Da wird einem Verwandtschaft zum Westen unterstellt und man darf dann mal eben in einen weniger gut bezahlten Job wechslen.
Photon schrieb:
(...)Wir haben uns als Kinder gefreut, Thälmannpioniere zu werden und später FDJler. Nicht aus politischen Gründen, sondern weil die FDJler "die Großen" waren.......
Die ganzen Organisationen förderten ungemein die Gruppendynamik und das Zugehörigkeitsgefühl, so auch beabsichtigt ;)
Nur mal als Beispiel: Mir ist es schon lieber, ich weiß mein Kind am Nachmittag in der Schule beim Pioniernachmittag um den nächsten Besuch der Brigade vorzubereiten, als das es irgendwo mit Kumpels auf der Strasse lungert und andere Kinder "abzieht" oder ihm dergleichen selbst passiert.
Manchmal denke ich mir, wenn ich so die heutige Generation "unserer" Kinder ansehe: Hatten wir eine schöne, ungezwungene Kindheit.

Ich könnte mich amüsieren darüber und finde es sehr interessant, wie und was manche über die ehemalige DDR "wissen" :mrgreen: Freu mich wirklich schon auf die kommenden Beiträge :)

Gruß, Poo
 
Zuletzt bearbeitet:
Und es gibt wirklich Leute, die das glauben? .... *kopfschüttel* [...]
Ja, denn ich habe in den 60er und 70er nicht in der DDR gelebt. Daher habe ich diesen Leuten, die diese Zeit in der DDR selbst erlebt haben, geglaubt. Aber es mag natürlich sein, dass die Meinung dieser Flüchtlinge, angesichts ihrer schlechten Erfahrungen mit diesem Staat, nicht mehr ganz objektiv ist.

[...] Ich kann mir nicht vorstellen, dass die DDR ihre Leute verrotten verhungern lassen wollte. Man macht das Fundament nicht kaputt. [...]
Nein, man erschießt sie lieber an der Mauer. :LOL:
Das die DDR die Leute verhungern lassen wollte, hat auch niemand behauptet. Nur weil es mal das eine oder andere Nahrungsmittel nicht gab, sind die Leute doch nicht gleich verhungert.

[...] Die Bürger der DDR konnten sehr wohl von Dresden nach Berlin, von Rostock nach Leipzig, oder von A nach B innerhalb der Staatsgrenzen. [...]
Mein Exfreund und seine Familie durften ohne Erlaubnis nirgendwo hinfahren. Aber gut, dann galt das nur für Leute die man im Visier hatte.

[...] Ich könnte mich amüsieren darüber und finde es sehr interessant, wie und was manche über die ehemalige DDR "wissen" :mrgreen: [...]
Über die ehemalige DDR weiß ich im Grunde nichts. Ich habe das Eine oder Andere (scheinbar Falsche) gehört, aber nichts davon wirklich miterlebt. In diesem Sinne verabschiede ich aus diesem Thema und wünsche noch viel Spaß. :mrgreen:
 
Ich fand es damals ganz schlimm, daß ich erst in der zweiten Klasse Jungpionier werden durfte, weil mein Vater gegen alles und jeden gewettert hat. Wählen gegangen ist er nie, er saß lieber mit Bierchen im Garten und hat sich dann vom ABV-Mann abholen lassen. Aber er hat dafür ja auch seine Akte bekommen...

Zu essen hatten wir immer genug und geschmeckt hat es auch. Wir hatten kein Westfernsehen aber unser Sandmännchen sieht eh viel schöner aus, sagen sogar meine Kollegen aus dem "Westen".

Alles in allem für Kinder kein schlechter Staat gewesen.

Alle Verwandten hatten damals auch nen Job, sieht heute ganz anders aus. Aber das liegt wohl am System.
 
(...)Aber es mag natürlich sein, dass die Meinung dieser Flüchtlinge, angesichts ihrer schlechten Erfahrungen mit diesem Staat, nicht mehr ganz objektiv ist.
Das glaube ich auch. :yes:
Nein, man erschießt sie lieber an der Mauer. :LOL:(...)
Man kann nicht die Befriedigung von Grundbedürfnissen mit dem Überqueren der Mauer (und somit unterstellte Nicht-Befriedigung höherer Bedürfnisse seitens des Staates) miteinander vergleichen. Ich frage mich immer, warum damalige Westdeutsche immer dachten, dass die Ostdeutschen nichts zu essen gehabt hätten bzw. das sie Hunger leiden müssten (wahrschienlich sind solche Geschichten daran schuld). Wie ich im vorigen Beitrag schon angeführt habe, sind es lediglich Waren gewesen, die nichts mit den Grundbedürfnissen wie Essen und Toilette zu tun haben, welche man nur sporadisch bekam.
Über die ehemalige DDR weiß ich im Grunde nichts. (...) In diesem Sinne verabschiede ich aus diesem Thema und wünsche noch viel Spaß. :mrgreen:
Wenn du nichts weißt, warum willst du dann gehen? Ich lese in so einigen Unterforen mit, obwohl ich zum Thema nichts weiß, um mich aber wissend zu machen. Na gut, jedem seins :)

birnchen schrieb:
Alles in allem für Kinder kein schlechter Staat gewesen.
Sehe ich genauso. Gehe sogar noch weiter und sage: Kein schlechter Staat für Familien.
Die Basis des Staates wurde wahrhaft gefördert. Natürlich mit dem Hintergrund, soviel Ideologie von Geburt an verbreiten zu können, wie es nur geht. Dennoch finde ich die Vermischung zwischen dem sozialen und dem politischen Faktor im Ansatz gar nicht mal so schlecht und wird heute irgendwie nicht von unserer Regierung auf die Reihe gebracht.

Gruß, Poo
 
:[...] Nur ein Beispiel: Da wird einem Verwandtschaft zum Westen unterstellt und man darf dann mal eben in einen weniger gut bezahlten Job wechslen.
Auch das ist mir völlig fremd und höre ich zum ersten Mal. Ich weiß, dass wenn jemand einen Ausreiseantrag gestellt hat, derjenige sofort entlassen oder in den miesesten Job gesteckt wurde, den es gab. Bei uns hatte unser Kunsterziehungslehrer einen Ausreiseantrag gestellt. Unsere Stasi-Direktorin kam in die Klasse mit einer Mine, als wäre ihre gesamte Verwandtschaft soeben verstorben. Und dann hat sie uns in ernstem Ton und mit schweifendem Bilck durch die Klasse berichtet, dass der Herr XXX etwas furchtbares getan hat. Fast 20 Minuten hat sie die Vorteile der DDR gegenüber der BRD herauskristallisiert um schließlich zu sagen: "Und deshalb wird der Herr XXX euch nicht mehr unterrichten." Eigentlich hat sie zu keiner Zeit das Wort "Republikflucht" oder "Ausreiseantrag" in den Mund genommen und trotzdem wusste jeder, was los ist. Ansonsten kannte ich (oder vielmehr meine Eltern) einige Leute, die einen Ausreiseantrag gestellt haben, weil sie eben nicht bei einer Nacht-und-Nebel-Flucht das Leben riskieren wollten. Die mussten ihren Job wechseln, wurden ständig überwacht und so weiter. Aber nicht Leute, deren Verwandte abgehauen sind.

Nein, man erschießt sie lieber an der Mauer. :LOL:
Das die DDR die Leute verhungern lassen wollte, hat auch niemand behauptet. Nur weil es mal das eine oder andere Nahrungsmittel nicht gab, sind die Leute doch nicht gleich verhungert.
Also die DDR hat sich auf die Fahnen geschrieben, dass die Grundbedürfnisse des Einzelnen gestillt sein müssen. Grundnahrungsmittel und ein Minimum an Hygieneartikeln gab es immer und überall. Diese Grundnahrungsmittel waren auch staatlich subventioniert, sodass eben ein Brot (1000 Gramm) 80 Pfennig kostete. Meine Eltern haben für eine 4-Zimmer-Neubauwohnung (knapp 100 qm mit Zentralheizung, was in den 70ern nicht selbstverständlich war) irgendwas um die 130 Mark Miete bezahlt. Ein halber Liter Milch kostete zwischen 15 (H-Milch) und 55 Pfennig (Schoko). Das Schulessen kostete pro Tag 55 Pfennig und man konnte sich stets Nachschlag holen, auch wenn das Essen mal gut geschmeckt hat und jeder Nachschlag wollte.

Wenn es etwas selten gab, dann war es PEPSI aus Ungarn, Südfrüchte (und wenn, dann musste man sich etwa 2 Stunden dafür anstellen), Schuhe von Adidas (nur unter dem Ladentisch) und dergleichen. Also aus meiner Sicht reine Luxusartikel, die nur in begrenzten Mengen eingekauft wurden. Und weil jeder Ostler auf alles draufgestürzt ist, was aus dem Westen kam (egal was und wie es aussah), waren diese Dinge meist schon nach wenigen Stunden republikweit ausverkauft. Folglich hat man nur diese Dinge bekommen, wenn man eine Verkäuferin kannte, die ein paar Sachen zurückgelegt hat.

Ansonsten gab es auch Läden wie "Exquisit" oder "Delikat", wo man auch Westartikel für einen horrenden Preis erstehen konnte. Da man mit der Ostmark sowieso nichts anfangen konnte (man sprach sowieso nur von "Aluchips"), hat man eben auch diese Preise bezahlt.

Über die ehemalige DDR weiß ich im Grunde nichts. Ich habe das Eine oder Andere (scheinbar Falsche) gehört, aber nichts davon wirklich miterlebt. In diesem Sinne verabschiede ich aus diesem Thema und wünsche noch viel Spaß. :mrgreen:
Schade eigentlich, ist immer tierisch spannend zu hören, was für ein Bild Westler vom Osten hatten (oder haben). Wenn ich keine Westverwandten gehabt hätte, die mir den Alltag aus Westberlin berichteten und auch kein Westfernsehen, dann wäre mein Bild nach DDR-Propaganda mit Sicherheit gewesen: "Jeder zweite ist arbeitslos, liegt auf der Straße. Verbrechen über Verbrechen und die Leute, die noch arbeiten werden von ihren Herren bis auf das Blut ausgebeutet und müssen sogar um das täglich Brot fürchten."

[...] Alles in allem für Kinder kein schlechter Staat gewesen.

Alle Verwandten hatten damals auch nen Job, sieht heute ganz anders aus. Aber das liegt wohl am System.
Genau wie poopsie schon sagte: Familien ging es verdammt gut. Ab 4 oder 5 Kindern (ich weiß nicht mehr) hat man mietfrei gewohnt und Zuschüsse en masse bekommen. Sodass die Assis im Osten, die es nicht so genau mit der Arbeit genommen haben, allesamt auch kinderreich waren. Denn von dem Geld, das sich ja ständig pro Kind erhöht hatte, konnten sich einige Familien später sogar ein Haus bauen. So kam es eben halt auch, dass man jeder Familie, die mehr als 3 Kinder hatten, automatisch auch unterstellte, dass die Leute zu faul zum Arbeiten waren. Aber nichts desto trotz hat der Staat sich um seine Nachkommen wirklich sehr fürsorglich gekümmert.

[...] Die Basis des Staates wurde wahrhaft gefördert. Natürlich mit dem Hintergrund, soviel Ideologie von Geburt an verbreiten zu können, wie es nur geht. Dennoch finde ich die Vermischung zwischen dem sozialen und dem politischen Faktor im Ansatz gar nicht mal so schlecht und wird heute irgendwie nicht von unserer Regierung auf die Reihe gebracht.
Weil die heutige Basis eine andere ist. Heute darf jeder mehr oder weniger tun und lassen, was er will. Klar muss er dann auch mit der Strafe leben. Aber das bekomm' doch erstmal in einen 12 oder 14-jährigen Schädel rein.

Ist in der DDR ein Kind von Zuhause abgehauen, wurde es spätestens nach 24 Stunden von der Stasi wieder den Eltern übergeben. Heute schaltet sich die Polizei erst nach 48 Stunden überhaupt ein! In der Zeit kann ein Kind längst tot oder ins Ausland verschleppt worden sein. Zu einem Vater aus meinem Bekanntenkreis sagten die Bullen sogar: "Wie alt? 14? Na wenn sie Hunger hat, wird sie schon wieder nach Hause kommen...". Erst nach 48 Stunden hat die Polizei halbherzig eine Fahndung eingeleitet. Ich wurde damals (ich kannte sie sehr gut und war 17) nicht mal befragt. Nach 1 Woche kam sie nach Hause. Sie hatte bei ihrem Freund Unterkunft bezogen. Du wirst es nicht glauben, nicht mal bei dem waren sie und haben gefragt...

Gruß,
Photon
 
Ach Photon, warum kommst du mit dem Thema, wenn ich im Grunde gar nicht da bin? :LOL:

Es gibt immer zweierlei Seiten, haben wir ja hier schon gelesen. Ich bin auch in Berlin aufgewachsen. Und ich hatte im Grunde alles, was ich brauchte und wünschte. Natürlich um Längen besser, weil 1. ich in Berlin lebte, 2. meine Mutter in der Gastronomie arbeitete und des öfteren Waren "sozialistisch umgelagert" wurden.
Wer diesen Ausspruch nicht kennt: Es heißt im Grunde klauen, nur so haben wir es damals nie gesehen, weil wir ja in einem Staat lebten, wo uns Arbeitern und Bauern ja auch alles gehört ;)

Ich persönlich war ein liebes Kind, eine "rote Socke" wie man das heutzutage beschreiben würde. Bis ich ein Teenager wurde, war ich super überzeugt. Trotz Westfernsehen. Ich weiß noch genau, wie ich die Hochzeit von Charles und Diana gesehen habe und alle möglichen Serien wie Dallas und Denver. Als ich älter wurde, hat meine Mutter mit mir mehr gesprochen, mir mehr Sachen erzählt. Geglaubt hab ich eigentlich wenig davon, aber sie war meine Mutter, warum sollte sie mir Scheiß erzählen? So hab ich versucht in der Schule kritischer zu werden und nachzufragen. Man merkt schnell, wann man die Klappe zu halten hat. :ugly:

Ich könnte hier eine Menge erzählen, leider sprengt das den Rahmen einen Beitrages. Nur soviel erstmal, die Repressalien hab ich persönlich nicht so mitgekriegt (nur Kleinigkeiten bei mir), meine Mutter aber schon, meine Familie auch, aber das wurde mir alles erst erzählt, als ich schon 20 war und erwachsen und die DDR existierte auch nicht mehr. Mit 18 bin ich damals auch geflüchtet über Ungarn - diese 48 h waren die schlimmsten meines Lebens und noch nie hatte ich so eine Angst wie damals. Und niemand hätte sich vorstellen können, dass die Mauer so schnell fällt, dann wären garantiert auch 90% der Flüchtige damals 89 nicht abgehauen.

Und noch etwas, es ist ein komisches Gefühl, wenn man nicht weiß, wem man vertrauen kann, ich war damals mit meinem Exmann zusammen und mit ihm zusammen geflüchtet, nur ehe wir soweit waren, darüber auch mal ehrlich zu reden, hat man schon Angst, wem man vertraut. Immerhin lebte er damals im Bonzenviertel Nr. 1 500 m ca. vom Stasiquartier entfernt und kannte Gregor Gysi ziemlich gut 8).

Für meine Flucht wurde ich damals in Abwesenheit verurteilt zu 5 Jahren wegen Republikflucht. diese Vorstrafe wurde aber von der BRD nicht übernommen. :biggrin:
 
Auch das ist mir völlig fremd und höre ich zum ersten Mal.
Nur weil man etwas nicht sieht oder hört, heißt es nicht, dass es nicht da ist. Manche Threads sieht man hier auch nicht (mehr) und dennoch sind sie da ;)
Jeder "weiß" zu dem Thema etwas, und hier wird´s zusammengetragen, eventuelle Vorurteile ausgeräumt und sich Geschichten angehört. Dafür war dieser Thread doch gedacht, oder?!
Ich weiß, dass wenn jemand einen Ausreiseantrag gestellt hat, derjenige sofort entlassen oder in den miesesten Job gesteckt wurde, den es gab.
Mein oben genannter Fall hatte nichts mit einem Ausreiseantrag, Republikflucht oder dergleichen zu tun. Es gab lediglich Unterstellungen, die trotz widerlegender und eindeutiger Fakten nicht auszuräumen waren.
Ich für meinen Teil, kann das von dir Gesagte so nicht bestätigen. Vielleicht wurde das aber auch von Fall zu Fall unterschiedlich gehandhabt. Daher bleiben wir lieber bei Geschichten: Ein Bekannter hatte einen, nein mehrere, Ausreiseanträge gestellt. Aber auch erst nachdem er versucht hat zu flüchten. Das ging schief, saß kurz ein und hat dann in regelmäßigen Abstand besagten Antrag gestellt. Er hatte Frau und Kind, die mussten mit. Als er den Antrag genehmigt bekam, galt dieser nur für ihn. Also wieder Anträge schreiben usw. Seine Frau+Kind erhielten recht schnell die Bewilligung zur Ausreise. Sie durften am 08. November 1989 ausreisen. Ironie des Schicksals. Heute leben sie auf der westlichen Seite des Harzes und führen dort eine gutgehende Jugendherberge. Ich habe selten Positives von "Flüchtlingen" gehört, aber bei dieser Familie ging letztlich im Westen alles gut. Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Achja, was ich eigentlich sagen wollte: Obwohl sooft Anträge gestellt wurden und sogar der Versuch der Flucht begangen wurde, konnte er trotzdem seinen altgewohnten Job nachgehen.
Wenn es etwas selten gab, dann war es PEPSI aus Ungarn, ....
Was ihr in Berlin alles hattet 8O Meine erste Pepsi (nein, nicht Coca Cola) habe ich 1988 in der Tschechei getrunken, und dann nie wieder :)

Gruß, Poo
 
Zuletzt bearbeitet:
Pepsi kenn ich eigentlich auch nicht.
Ich hatte immer ClubCola :D.

zum Ausreiseantrag: nicht zwangsläufig wurde man versetzt, aber meistens hatte man keine Chance auf Beförderung. Meiner Mutter ist es so ergangen. Sie konnte nie Gaststättenleiterin oder so was werden, da sie mal als ich noch ganz klein war, einen Antrag gestellt hatte. Sie hätte gehen dürfen, Bedingung war jedoch ohne Kind und das hatte sie nicht gemacht. Also blieb sie.
Sie durfte mich auch behalten, nur wurde sie überwacht, bzw. ich. Wie ich mich entwickel, wie sie ihre Erziehung macht etc. Das hab ich erst später erfahren.
Aber ich war ein VorbildKind, da konnte niemand was sagen. Pionierarbeit und später FDJ - ich war echt super :biggrin: Meine Mutter hatte es verstanden, mir intern zu Hause, die Dinge super gut zu erklären, so dass ich wußte (als Jugendliche) wie ich mich zu verhalten habe. Obwohl ich nie genau wußte, warum eigentlich. Da gab es immer den tollen Spruch: "Das erklär ich dir, wenn du größer bist" :ugly:
 
[...] Meiner Mutter ist es so ergangen. Sie konnte nie Gaststättenleiterin oder so was werden, da sie mal als ich noch ganz klein war, einen Antrag gestellt hatte. Sie hätte gehen dürfen, Bedingung war jedoch ohne Kind und das hatte sie nicht gemacht. Also blieb sie.[...]
Naja, das hätte wohl jede Mutter getan. Aber nur aus Interesse: Warum wollte sie denn raus?
 
Naja, das hätte wohl jede Mutter getan. Aber nur aus Interesse: Warum wollte sie denn raus?

Die ganze Familie litt unter den sogenannten Repressalien.
Mein Großonkel ist damals beim Mauerbau geflüchtet und hat noch ein paar andere Dinge gegen das System angestellt. Meine Familie und auch mein Onkel haben nie darüber gesprochen, genaues kann ich dir also nicht sagen. Ich weiß nur, dass mein Onkel im Gefängnis war und sie ihn dann haben ausgewiesen. Ein Teil der Familie hat sich dann arrangiert mit dem System (Parteieintritt), der andere Teil hat dann für immer die Klappe gehalten und still und leise ihr normales Leben gelebt, aber meine Mutter nicht, sie war die Rebellin. Sie ist aber schon mit 19 Mutter geworden, deshalb wartete sie ca. 3 Jahre mit dem Ausreiseantrag. Aber wie gesagt, mit Kind wollte man sie nicht gehen lassen. Meine Mutter hatte sich nie gebeugt. Ich hab Erinnerungen an vielen Ausflügen mit anderen Kindern etc. Später wurde mir gesagt, dass es keine Ferien waren, sondern Kinderheime, weil meine Mutter im Gefängnis saß, da war ich noch klein. Als ich in die Schule kam, wurde meine Mutter mir zuliebe ruhiger ;) sonst wäre ich dann ganz weg gewesen.
 
Die ganze Familie litt unter den sogenannten Repressalien.
Mein Großonkel ist damals beim Mauerbau geflüchtet und hat noch ein paar andere Dinge gegen das System angestellt. [...] Meine Mutter hatte sich nie gebeugt. Ich hab Erinnerungen an vielen Ausflügen mit anderen Kindern etc. Später wurde mir gesagt, dass es keine Ferien waren, sondern Kinderheime, weil meine Mutter im Gefängnis saß, da war ich noch klein. Als ich in die Schule kam, wurde meine Mutter mir zuliebe ruhiger ;) sonst wäre ich dann ganz weg gewesen.
Sowas höre ich immer wieder. Klar, wer aktiv gegen den Staat agiert hat, kam in den Knast. Das ist heute nicht anders. Wer Republikflucht begeht (nach DDR-Definition war das Vaterlandsverrat während eines Krieges), kam in das Gefängnis und wurde überwacht.

Und an der Stelle frage ich mich immer: Würde irgendein anderer Staat dieser Welt (unser heutiges Deutschland eingeschlossen) auch nur im Ansatz anders verfahren?

Will sagen, dass es immer eine Frage des Standpunktes ist. Fast schon witzig ist dann die Einstellung: "Im Osten wurden alle unterdrückt!". Nun, nicht mehr oder minder als heute...

Gruß,
Photon
 
naja, ich seh das ein bisschen anders.

Stell dir vor heute würde die Mauer gebaut werden 100 m von deiner Straße entfernt, einfach so, weil irgendjemand das so entscheidet. Du überlegst und bist der Meinung, dass "drüben" deine Familie wohnt, deine Freunde, was weiß ich und du rennst heimlich rüber, weil du ganz genau weißt, du hättest sonst keine andere Chance. Und dafür ins Gefängnis? Oder erschossen werden?
Nichts anderes war es damals beim Mauerbau.
Warum später Menschen ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um zu flüchten, können nur diejenigen sagen. Aber beim Mauerbau direkt finde ich es schon eine Schande, die Menschen dafür zu bestrafen, nur weil sie auf die andere Seite gegangen sind. Oder auch noch die Hinterbliebenen hier zu bestrafen, nur weil ein Familienmitglied abgehauen ist. Das ist einfach nicht richtig. Und die "Bestrafung" sprich Überwachung, Ärger was weiß ich ging über Jahre und Jahrzehnte über ganze Familien und dann noch deren Kinder.

Was glaubst du, wie ich mich gefühlt habe, als ich alles erfahren habe? Das meine Entwicklung überwacht wurde, dass meine Mutter überwacht und kontrolliert wurde, ob sie auch alles richtig macht, damit ich ein ordentliches Mitglied der Gesellschaft werde? Was geht es einen Staat an, welche Freunde ich habe? Was ich für Klamotten trage? Ich war 14 als ich zum 1. Mal erfahren habe, dass ich überhaupt einen Onkel im Westen habe.

Und auch so, warum wurden die Menschen an den Grenzen erschossen? Ich glaube kaum, dass ein kapitalistisches Land jemals so gehandelt hat, wenn Menschen in andere Länder auswandern wollten. Das kann es einfach nicht sein und da fängt für mich die Unterdrückung an.

Ein Beispiel:
ich war ungefähr 12, da hatten wir in der Schule eine Feier, zu der sollte jeder etwas mitbringen. Ich mit meiner großen Klappe erzählte, ich würde einen Karton (Inhalt 100 Stück) Negerküsse mitbringen.
paar Tage später war meine Mutter mal für 2 Tage nicht zu Hause. Angeblich müsste sie durcharbeiten, ich hab mir dabei nix gedacht. Ich hab den Karton bekommen (um mein Gesicht in der Schule zu wahren und damit ich die Wahrheit nicht erfahre), aber meine Mutter war dafür 2 Tage im Knast (erfuhr ich aber erst mit 20). Ich hatte riesen Ärger mit meiner Mutter, die mir noch einmal eindringlich klarmachte, was ich zu sagen hatte. Negerküsse gab es zwar, aber niemand kam an einen ganzen Karton ran ;) Es sei denn durch "klauen" und Beziehungen etc.
 
(...)Negerküsse gab es zwar, aber niemand kam an einen ganzen Karton ran ;) Es sei denn durch "klauen" und Beziehungen etc.

Kann mich erinnern, dass Negerküsse heiß begehrt waren. So richtig habe ich es nie verstanden, da auch ich den Vorteil hatte, immer gleich an einen ganzen Karton ranzukommen. Der Begriff "sozialistische Umlagerung" trifft es ganz genau. Meine Oma hatte damals im Konsum gearbeitet, irgendwo auf dem Dorf. Und so kam ich immer wiedermal in den Genuß von 50 Negerküssen..... die anderen 50 hat mein Bruder vernascht :(

Gruß, Poo
 
naja, ich seh das ein bisschen anders.

Stell dir vor heute würde die Mauer gebaut werden 100 m von deiner Straße entfernt, einfach so, weil irgendjemand das so entscheidet. Du überlegst und bist der Meinung, dass "drüben" deine Familie wohnt, deine Freunde, was weiß ich und du rennst heimlich rüber, weil du ganz genau weißt, du hättest sonst keine andere Chance. Und dafür ins Gefängnis? Oder erschossen werden?
Nichts anderes war es damals beim Mauerbau.
Klingt nach der Geschichte, die ich zu erzählen hätte.

Mein Opa hatte im Markgrafendamm ein gut laufendes Geschäft. Er und meine Oma haben dann auch in Treptow gewohnt. Meine Tante hat schon immer in Tempelhof gelebt. So, dann kam die Mauer. Meine Großeltern und meine Mama hatten überlegt, auf welcher Seite sie nun bleiben möchten. Opa hatte im Osten das Geschäft und alle Kunden, viele Freundschaften und Verwandtschaft im Westen. Situation 1960/61: Wer ist nun besser, die Russen oder die Amis/Franzmänner/Inselaffen? Man hat sich entschieden, im Osten zu bleiben und wurde dafür auch als Selbstständiger bestraft. Kaum Waren zu kaufen, HO und Konsum wurden bevorzugt beliefert.

Um es in eine heutige fiktive Situation zu übertragen: Welcher Besatzer wäre besser: Franzosen oder Engländer? Entscheide Dich...


Warum später Menschen ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um zu flüchten, können nur diejenigen sagen. Aber beim Mauerbau direkt finde ich es schon eine Schande, die Menschen dafür zu bestrafen, nur weil sie auf die andere Seite gegangen sind. Oder auch noch die Hinterbliebenen hier zu bestrafen, nur weil ein Familienmitglied abgehauen ist. Das ist einfach nicht richtig.[...]
Es geht doch dabei gar nicht um die Beurteilung (aus heutiger Sicht), ob richtig oder falsch. DJ, Kriege sind auch falsch, werden trotzdem geführt. Nichts anderes in der DDR. Die Mauer wurde als "antifaschistischer Schutzwall" bezeichnet und die Beziehungen zum Westen wurden "Klassenkampf" genannt. Wir waren im Krieg und da gelten nunmal andere Regeln. Dass der Westen es nicht als Krieg definiert hatte, ist doch wieder ein anderes Thema. Und wie im Krieg wurde eben auch verfahren.

Es ist nicht zu entschuldigen, dass Menschen an der Grenze erschossen wurden, aber jeder Mord im Krieg hat keine Entschuldigung. Es stand geschrieben, dass es verboten ist und im Notfall (wie der auch immer ausgelegt wurde) auch scharf geschossen wird. Was den zeitpunkt des Mauerbaus angeht, da war ich nicht dabei und kann es schwer einschätzen, wann weswegen geschossen wurde. Aber man hatte ja schließlich auch mehrere Jahre Zeit zu entscheiden, welche Seite Berlins (oder Deutschlands) nun die bessere war...

Gruß,
Photon